Ich erlebe es immer häufiger: Verunsicherte Patienten suchen mich auf, weil sie einen ärztlichen Behandlungsfehler vermuten, aber keinen „Patientenanwalt“ finden, der zu ihrer Vertretung bereit oder imstande ist.
Was steckt dahinter?
Nun, zunächst ist der Kreis der Fachanwälte für Medizinrecht in der Region Hannover relativ überschaubar. Das bedeutet, dass die Auswahl derjenigen, die sich aufgrund ihrer besonderen Spezialisierung und Qualifizierung dann auch noch schwerpunktmäßig mit dem Thema Arzthaftungsrecht befassen, begrenzt ist. Hat man das Glück, einen solchen Anwalt einmal gefunden zu haben, stehen der Übernahme des Mandats häufig Gründe entgegen.
Interessenkollision?
- 43a Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) besagt, dass ein Rechtsanwalt keine „widerstreitenden Interessen“ in der derselben Rechtssache vertreten darf. Tut er dies trotzdem, hat dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Folge, dass der Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstößt, nichtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 12. Mai 2016 - IX ZR 241/14). § 356 des Strafgesetzbuches (StGB) stellt es - darüber hinaus - sogar unter Strafe, wenn
„ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient“.
Ist der Rechtsanwalt also beispielsweise bereits regelmäßig für das behandelnde Krankenhaus oder den niedergelassenen Arzt / Zahnarzt tätig, verbietet es sich von selbst, dass er Patientenrechte gegen seinen eigenen Auftraggeber wahrnimmt. Ein solches Mandat kann der Rechtsanwalt also nur ablehnen, will er nicht Gefahr laufen, seinen Honoraranspruch zu verlieren oder sich gar selbst der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen.
Vertragliche Gründe?
Weitaus häufiger ist die Fallkonstellation anzutreffen, dass Anwälte nur noch auf Behandlerseite tätig und rechtssuchende Patienten gar nicht mehr als Mandanten annehmen. Auch hierfür gibt es einen sachlichen Grund, der im Versicherungsrecht zu suchen ist.
Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte sind nach ihrer jeweiligen Musterberufsordnung verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern (§ 21 MBO-Ä bzw. § 4 MBO-Z). Ihre Rechte und Pflichten ergeben sich dabei aus dem mit der Versicherungsgesellschaft geschlossenen Versicherungsvertrag, in dem regelmäßig auf die zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwiesen wird.
Nach diesen Allgemeinen Versicherungsbedingungen obliegt es dem Haftpflichtversicherer, die Haftpflichtfrage zu prüfen, unberechtigte Schadensersatzansprüche abzuwehren und den Arzt (als Versicherungsnehmer) von berechtigten Schadensersatzansprüchen freizustellen. Hierzu ist der Versicherer mit umfassenden Rechten ausgestattet. Er ist nicht nur bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben (Ziffer 5.2 Abs. 1 AHB). Ihm allein obliegt auch die Prozessführung und die Auswahl des auf Behandlerseite tätigen Rechtsanwalts. Er bestimmt im Rahmen seiner allumfassenden Regulierungsvollmacht die Spielregeln. Hierzu gehört - neben Fragen der Vergütung - dass zahlreiche Haftpflichtversicherer inzwischen nur noch mit solchen Rechtsanwälten kooperieren, die ausschließlich auf Leistungserbringerseite tätig sind. Wendet sich ein Patient in einer Arzthaftungsangelegenheit an einen solchen Kollegen, wird er - losgelöst von der zugrunde liegenden Fallgestaltung - mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Absage erhalten.
Wir sind aufgrund unserer Spezialisierung bis heute auf Behandler- und Patientenseite tätig und möchten uns diesen aus unserer Sicht notwendigen „Blick über den Tellerrand“ auch unbedingt bewahren. Dabei versteht es sich von selbst, dass wir vor jeder Mandatsannahme eine gewissenhafte Kollisionsprüfung vornehmen, um Ihnen die bestmögliche Vertretung zu bieten.
Marc Chérestal
Ihr Fachanwalt für Medizinrecht in Hannover
Patientenanwalt in Hannover