Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte sich in einem am 24.01.2017 verkündeten Urteil mit der Frage zu befassen, ob Schadensersatzansprüche des Patienten auch dann bestehen, wenn sich dieser absprachewidrig vorzeitig aus der Klinik entfernt. In dem hier entschiedenen Fall hatte die Patientin (bzw. der klagende Ehemann) das Nachsehen (Geschäftszeichen: 8 U 119/15).
Was war geschehen? Der Kläger hatte sich gemeinsam mit seiner (damals 67-jährigen) Ehefrau in das nahegelegene Kreiskrankenhaus begeben, nachdem diese darüber berichtet hatte, dass es ihr nicht gut gehe und sie Schmerzen im Hals habe. Die Ehefrau des Klägers wurde daraufhin zunächst vom Bereitschaftsarzt des kassenärztlichen Notdienstes untersucht und von diesem in das Krankenhaus eingewiesen, obwohl die erhobenen Befunde (Blutdruck, EKG) als unauffällig beurteilt worden waren. Der diensthabende Stationsarzt hatte der Ehefrau des Klägers ein Bett auf der Station angeboten, musste dann aber vorübergehend nach einer anderen Patientin sehen. Als er nach etwa 10 Minuten auf die Intensivstation zurückkehrte, waren die Eheleute bereits wieder nach Hause gefahren, wo die Ehefrau des Klägers noch am selben Abend gegen 22:50 Uhr verstarb.
Mit seiner Klage beanspruchte der Witwer neben einem angemessenen Schmerzensgeld von mindestens 2.500,00 EUR den Ersatz des ihm angeblich entstandenen Unterhaltsschadens sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht Frankfurt am Main hat der Klage mit seinem Urteil vom 01.07.2015 im Wesentlichen stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde dieses Urteil insgesamt aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Arzt über die Folgen der Ablehnung einer stationären Aufnahme zwar grundsätzlich aufzuklären habe (so genannte therapeutische Sicherungsaufklärung). Ein Arzt müsse aber nicht
„in jeder Minute eines Aufenthaltes einer Patientin in einer Klinik damit rechnen, dass sich die Patientin plötzlich unerwartet und absprachewidrig entfernt; der Arzt muss daher auch nicht unmittelbar zu Beginn des ersten Gesprächskontakt mit der Patientin darauf hinweisen, dass dann, wenn diese sich absprachewidrig aus der Klinik entfernt, eine lebensbedrohliche Situation entstehen könnte“.
Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen, da die vorliegende Sache „keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen“ aufwerfe, es sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Sachverhalts geprägte Einzelfallentscheidung handele.
Was folgt daraus? Grundsätzlich – und von wenigen Ausnahmen abgesehen – dürfen Patienten das Krankenhaus jederzeit auf eigenen Wunsch verlassen (so genanntes Selbstbestimmungsrecht). Sie handeln dann aber auf eigenes Risiko und haben in der Regel keinerlei Ansprüche gegen den Arzt und das Krankenhaus, wenn es zu einem gesundheitlichen Schaden kommt. Patienten, die das Krankenhaus dennoch auf eigenen Wunsch verlassen möchten, sollten dies dem Krankenhausarzt unbedingt mitteilen und sich nicht einfach ohne Abmeldung aus dem Krankenhaus entfernen. Der Arzt muss den Patienten dann über die gesundheitlichen Risiken der Selbstentlassung aufklären. Wird eine solche Aufklärung pflichtwidrig versäumt, kann dies im Einzelfall zu einer Haftung des Arztes oder Krankenhauses führen.
Marc Chérestal
Rechtsanwalt
Ihr Fachanwalt für Medizinrecht in Hannover