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„Pest und Cholera“

Mit seiner Entscheidung vom 13.09.2018 hatte sich der Bundesgerichtshof (erneut) mit dem wohl prominentesten hannoverschen Zahnarzt, dem selbst ernannten „Implantatpapst“ Dr. L. zu befassen (III ZR 294/16).

Was war geschehen?

Dr. L. hatte die spätere Beklagte zahnärztlich behandelt und bei dieser insgesamt 8  Implantate  gesetzt. Seinen Honoraranspruch in Höhe stattlicher 34.277,10 EUR trat Dr. L. an eine zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft, die spätere Klägerin, ab. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung mit der Begründung, dass sämtliche Implantate unbrauchbar sein, weil sie nicht tief genug in den Kieferknochen eingebracht und zudem falsch positioniert worden seien. Ein Nachbehandler könne eine fachgerechte prothetische Versorgung des Gebisses aufgrund der fehlerhaften kieferchirurgischen Leistungen  von Dr. L. nicht mehr leisten. Bei den noch in Betracht kommenden Behandlungsalternativen habe der Nachbehandler nur noch die Wahl zwischen „Pest und Cholera“.

Das Landgericht Verden hatte die Honorarklage der Abrechnungsgesellschaft abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung wurde das erstinstanzliche Urteil jedoch abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von rund 17.000,00 EUR verurteilt. Gegen diese Entscheidung hatte die Beklagte Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Das Rechtsmittel der Beklagten hatte Erfolg. Das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 02.05.2016 wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Eine Zahlungsverpflichtung für das Setzen der 8 Implantate – so der BGH – bestehe nicht, da der Zahnarzt die Beklagte durch sein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten zur Kündigung des Behandlungsvertrages veranlasst habe und die erbrachten implantologischen Leistungen infolge der Kündigung für die Beklagte „nutzlos“ seien. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe

„der Behandler nur die Wahl zwischen „Pest und Cholera“, also zwischen zwei gleich großen Übeln. Die eingesetzten Implantate sind objektiv und subjektiv völlig wertlos, da es keine der Beklagten zumutbare Behandlungsvariante gibt, die zu einem wenigstens im Wesentlichen den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechenden Zustand hinreichend sicher führen könnte. Bei Beibehaltung der fehlerhaft positionierten Implantate, deren Lage auch durch Nachbehandlungsmaßnahmen nicht zu korrigieren ist, besteht mittel- oder langfristig ein erhöhtes Verlustrisiko, weil es zu einer Periimplantitis (Entzündung des Implantatbettes mit Knochenabbau) kommen kann. Es ist der Patientin daher auch nicht zuzumuten, zumindest einzelne Implantate weiter zu verwenden und das mit deren fehlerhafter Positionierung untrennbar verbundene erhöhte Entzündungsrisiko jahrelang hinzunehmen. Bei einer Entfernung der Implantate besteht hingegen das Risiko, dass ein erneuter erheblicher Knochendefekt herbeigeführt wird und unsicher ist, ob das neue Implantat wieder ausreichend befestigt werden kann.

Soweit die Klägerin überdies für die nicht indizierte unnötige Versorgung mit Keramik-Inlays und die völlig unsachgemäße Anwendung eines Präparats zur Parodontosebehandlung ein Honorar beansprucht, muss die Beklagte keine Vergütung entrichten, weil ihr insoweit ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zusteht, der auf Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet ist.“

Das Berufungsgericht habe nunmehr nur noch diejenigen Positionen aus der Honorarrechnung zu ermitteln, die nach Abzug der Vergütung für die nicht bzw. nutzlos erbrachten Leistungen als berechtigt verbleiben (III ZR 294/16).

Mit der vorgenannten Entscheidung werden die Patientenrechte einmal mehr gestärkt. Auch wenn es ein „Gewährleistungsrecht“ im engeren Sinne bei „Dienstverträgen höherer Art“ grundsätzlich nicht gibt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 24.11.1993 - 27 U 44/93), ist der Patient zur Zahlung der Vergütung jedenfalls dann nicht verpflichtet, wenn die Leistung für ihn unbrauchbar bzw. völlig wertlos ist.

 

Marc Chérestal

Rechtsanwalt

Ihr Fachanwalt für Medizinrecht in Hannover

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